Das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Was bedeutet es für Sportvereine?
Die verbesserte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist nicht nur ein allgemeines gesellschaftliches Ziel, sondern ein Ziel, das sich gerade auch viele Sportvereine gesetzt und dabei schon sehr viel geleistet haben. Neben solchen Eigeninitiativen der Vereine und Verbände gilt es dabei aber auch stets die Anforderungen des Gesetzgebers im Blick zu halten. So tritt am 28.06.2025 das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz BFSG) in Kraft. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich die Umsetzung einer bereits im Jahr 2019 beschlossenen EU-Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber. Dieses neue Gesetz kann auch Sportvereine betreffen. Eine Prüfung, ob und inwieweit das der Fall ist, muss unbedingt frühzeitig erfolgen – um gegebenenfalls rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Wen betrifft das BFSG?
Das neue BFSG verpflichtet alle „Wirtschaftsakteure“, die Verbrauchern die im Gesetz genannten Produkte und/oder Dienstleistungen anbieten. Auch Vereine zählen grundsätzlich zu diesen „Wirtschaftsakteuren“, beispielsweise wenn sie auf ihren Webseiten oder in Apps auch (digitale) Produkte und/oder Dienstleistungen anbieten und nicht nur Informationen bereitstellen. Welche Anforderungen konkret bestehen, hängt davon ab, wie der Verein konkret zu qualifizieren ist, also ob er Hersteller, Einführer oder Händler von Produkten ist oder Dienstleistungen (z.B. Trainingskurse) anbietet. Die konkreten Anforderungen im Hinblick auf eine barrierefreie Gestaltung, beispielsweise Inhalte über mehrere sensorische Kanäle bereitzustellen, finden sich in den §§ 6 ff BFSG. Das kann dann beispielsweise bedeuten, dass der Texte auf der Website auch als Audio-Datei bereitgehalten werden.
Für welche Produkte und Leistungen gilt das BFSG?
Der § 1 BFSG begrenzt die betroffenen Produkte und Dienstleistungen, sodass der weite Anwendungsbereich des BFSG dadurch wieder eingeschränkt wird. Betroffen sind nur Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28.06.2025 in Deutschland in den Verkehr gebracht bzw. erbracht werden. Soweit es um Produkte geht, wird dies für die meisten Vereine kaum relevant werden. Das Gesetz umfasst nur Hardwaresysteme, Selbstbedienungsterminals wie Geldautomaten, Fahrausweisautomaten, Check-In-Automaten, interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen, Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für Telekommunikationsdienste verwendet werden oder solche die für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten verwendet werden und E-Book-Lesegeräte. Nur wenige Vereine werden daher davon betroffen sein.
Wesentlich relevanter wird das Gesetz für Vereine jedoch im Bereich von Dienstleistungen. Zwar dürfte die Anwendbarkeit des Gesetzes noch recht überschaubar bleiben, soweit dort beispielsweise Telekommunikationsdienste aufgeführt werden, anders sieht das Ganze dann aber bei „Dienstleistungen im elektronischen Verkehr“ aus, welche im Gesetz Anwendung finden. Für Vereine von großer Bedeutung, sind der Online-Verkauf von allen Produkten und Dienstleistungen. Bei entsprechenden Angeboten des Vereins, insbesondere über seine Webseite, sind die gesetzlichen Anforderungen des BFSG einzuhalten. Hier gilt es im Einzelfall sorgfältig die Details zu prüfen. Wird beispielsweise über die Internetseite nur die Möglichkeit eröffnet, die satzungsmäßigen Mitgliedsbeiträge zu zahlen, wird dies keinen „Verbrauchervertrag“ darstellen. Anders sieht es aber aus, wenn über die Webseite beispielsweise Tickets, Ausrüstungsmaterial, Fanartikel o.ä. erworben oder zahlungspflichtige Kurse angeboten und gebucht werden können. Hier sind dann ggf. die Vorgaben des BFSG einzuhalten.
Wichtige Ausnahmen
Bevor jetzt aber in vielen Vereinen, eine Diskussion darüber geführt wird, ob diese Leistungen auch zukünftig noch online angeboten werden können, weil man sich nicht dazu in der Lage sieht, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen, gilt es festzuhalten, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Gesetzes für kleinere „Wirtschaftsakteure“ deutlich eingeschränkt hat. So gelten Ausnahmen, wenn eine Umsetzung der Vorschriften des BFSG zu grundlegenden Veränderungen des Produkts oder der Dienstleistung oder zu unverhältnismäßigen Belastungen führen würde. Die wohl wichtigste Ausnahme betrifft dabei sog. Kleinstunternehmen. Dies sind „Wirtschaftsakteure“, die weniger als 10 Personen beschäftigen und einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft. Vollzeitmitarbeitende zählen dabei ganz, Teilzeitmitarbeitende nur anteilig und ehrenamtliche Mitarbeiter sind nicht zu berücksichtigen. Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen, sind von den Regelungen des BFSG ausgenommen. Für Kleinstunternehmen, die Produkte herstellen, einführen oder mit diesen handeln, gelten Erleichterungen hinsichtlich der Dokumentations-, Aufbewahrungs- und Informationspflichten. Die meisten kleineren Vereine dürften vor diesem Hintergrund wohl „aufatmen“ können. Sie können ihre Leistungen auch weiterhin online anbieten, ohne den Regelungen des BFSG zu unterfallen.
Was muss gewährleistet werden?
Wenn das BFSG greift, müssen die betroffenen Produkte und/oder Dienstleistungen „barrierefrei“ sein. Dies ist dann gegeben, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Konkretisiert werden diese Erfordernisse in der Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV).
Maßnahmen zur Gewährleistung der Barrierefreiheit sind hierbei die Bereitstellung von Informationen über mehr als einen sensorischen Kanal, die Nutzung angemessener Schriftarten und Kontraste, ausreichenden Abständen zwischen Buchstaben, Zeilen und Absätzen, sowie die Auffindbarkeit von Informationen und die Bereitstellung von Informationen in verständlicher Weise (leichte Sprache).
Dies gilt zum einen für Produkte bzw. die Bereitstellung von Informationen zu diesen Produkten, sowie für Anforderungen an Verpackungen und Anleitungen und allgemein für Dienstleistungen, wobei sich die jeweiligen Voraussetzungen teilweise branchenspezifische unterscheiden.
Konsequenzen
Werden die Anforderungen der BFSG-Vorschriften nicht oder nur unzureichend umgesetzt, drohen – jedenfalls bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen – Bußgelder in teils empfindlicher Höhe, für die der Verein einzustehen hat bzw. für die ausnahmsweise auch die Vorstandsmitglieder persönlich haften können. Nicht zuletzt auch mit Blick darauf empfiehlt sich eine sorgfältige Prüfung, ob die eigenen Online-Angebote dem BFSG unterfallen und wie die Anforderungen des Gesetzes ggf. umzusetzen sind.
Resümee
Mit dem In-Kraft-Treten des neuen BFSG ist ein erster und wichtiger Schritt in Richtung einer gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung getan. Da zu erwarten ist, dass das Gesetz im Laufe der Zeit Nachbesserungen, Anpassungen und Überarbeitungen erfährt und eventuell auch erweitert wird, sollte seine Entwicklung im Blick behalten werden. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die konkrete Umsetzung in der Praxis voraussichtlich erst einmal zu einer Vielzahl an Unsicherheiten führen wird und viele Detailfragen erst im Laufe der Zeit durch Gerichte und Behörden geklärt werden. Vereinen ist daher zu raten, sich frühzeitig mit den Anforderungen des BFSG vertraut zu machen und sie im Blick zu halten, auch wenn sie das BFSG (noch) nicht betrifft. Vereinen, die sich bereits jetzt mit der Materie befassen, bleibt genügend Zeit angemessen auf das Gesetzt und die damit nötigen Veränderungen zu reagieren. Und natürlich wird auch jeder Verein im Interesse einer Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu prüfen haben, welchen Beitrag er dazu zu leisten vermag.
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