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Eigenständigkeit der Jugend im Verein

Der kinder- und jugendfreundliche Sportverein

Begriffsbestimmung
Bei der Klärung der Kriterien für "Kinder- und Jugendfreundlichkeit" lohnt sich der Blick über den Sport hinaus.
Der weitestreichende Bezug dabei ist die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, die in Deutschland 1992 in Kraft trat.
Davon abgeleitet hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW Leitfragen zur Kinderfreundlichkeit herausgegeben Beiden Bestimmungen ist gemeinsam, dass Kinderfreundlichkeit an der Verbindlichkeit von Kinderrechten festgemacht wird.

Danach wäre ein kinderfreundlicher Sportverein daran zu erkennen 

  • dass er das Recht des Kindes und Jugendlichen, des Mädchen und des Jungen auf umfassende Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung durch die Aktivitäten im Verein sicherstellt,
  • dass er Kinder und Jugendliche schützt, vor allem vor Gewalt in jeglicher Form und
  • dass er den jungen Menschen das Recht auf Teilhabe, Mitbestimmung und Mitverantwortung einräumt.

Anforderungen an den kinder- und jugendfreundlichen Sportverein

1. Die Rechte der Kinder und Jugendlichen in Ordnungen, Satzungen und    Strukturen verankern

Maßnahmen:

Einrichten eines "Jugendteams", das von den während der Jugendversammlung gewählten Jugendvertreter/innen koordiniert wird. Im Jugendteam treffen sich alle Interessierten, die z. B. gemeinsam ein spezifisches Projekt umsetzen wollen. Es gibt keine Wahlen und Amtszeiten, jede Person ist willkommen. Das Jugendteam gestaltet eigene Freizeitaktivitäten.

Durch die Jugendordnung dokumentiert der Verein, dass die Kinder und Jugendlichen bzw. die Kinder- und Jugendarbeit eine bedeutende Stellung einnehmen. Im Idealfall hat sich sowohl die Jugendversammlung als auch die Mitgliederversammlung des Vereins intensiv mit dem Sinn und Zweck einer Jugendordnung auseinandergesetzt und auch einzelne Aussagen dieser Ordnung beraten. Die Aussagen "Die Jugend führt und verwaltet sich selbstständig und entscheidet über die Verwendung der ihr zufließenden Mittel. Näheres regelt die Jugendordnung", werden in die Vereinssatzung aufgenommen. Die erwachsenen Mitglieder des Vereins bekunden damit, dass ihnen die pädagogischen und politischen Ziele der Kinder- und Jugendarbeit im Sport ein ernsthaftes Anliegen sind.

Im Jugendvorstand, der in vielen Vereinen unter der Bezeichnung Jugendausschuss besteht (um Verwechslungen mit dem Gesamtvorstand des Vereins zu vermeiden), werden die Belange der Kinder und Jugendlichen beraten und entschieden. Veranstaltungen werden geplant, Konflikte und Probleme werden thematisiert und Antworten auf alle aktuell anstehenden Fragen gesucht. Damit dieses Gremium wirkungsvoll arbeiten kann, muss mindestens sichergestellt sein, dass die Jugendvorstandsmitglieder sich regelmäßig zu Besprechungen oder Sitzungen zusammenfinden.

Einrichten der Position einer*eines Kinderbeauftragten, der*die in den Vereinsgremien die Belange der bis zu 14-Jährigen vertritt.

Diese Person wird während der Jugendversammlung gewählt und ist z. B. für das kindgerechte Training und Wettkampfwesen zuständig und achtet darauf, dass auch Kindern attraktive Angebote im Vereinsleben unterbreitet werden.

2. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit qualifizieren und begleiten

Maßnahmen:

Der Verein startet eine Qualifizierungsoffensive mit dem Ziel, alle in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen tätigen Mitarbeiter*innen mit dem Jugendgruppenleiter-Ausweis, der JL-Lizenz des Deutschen Sportbundes und der Übungsleiter-Lizenzen fachsportartspezifisch oder fachsportartübergreifend auszustatten. Der Verein unterstützt die Teilnahme am Lehrgang, indem er z. B. die Lehrgangskosten übernimmt. 

Der Verein bietet eigene Maßnahmen zu Weiterbildung der Jugend- und Übungsleiter*innen an, z. B. zu pädagogischen Fragestellungen im Rahmen von Abendveranstaltungen und Sitzungen.

Der Verein installiert ein System gegenseitiger Hospitationen und kollegialer Beratung. Für die Arbeit mit Kinder- und Jugendgruppen stellt es sich immer wieder als Nachteil heraus, in der Gruppenleitung allein zu stehen. Der regelmäßige Austausch über die Situation in der eigenen Gruppe wird gesucht, aber nicht immer gefunden. Hier bietet der Verein Unterstützungsstrukturen an.  

Der Verein vergibt an alle Mitarbeiter/innen in der Kinder- und Jugendarbeit einen "Kinder-Freundlichkeits-Pass", der dazu anregen soll, sich selbst einzuschätzen, zu befragen und zu bewerten, eigene Verhaltensgewohnheiten zu überprüfen, Einfühlungsvermögen in Personen und Situationen zu steigern und die eigenen Kompetenzen umfassend weiterzuentwickeln.

3. Die Aktivitäten im Verein kind- und jugendgerecht auswählen

Maßnahmen:

Die Kinder und Jugendlichen im Sportverein sind je nach Interesse und sportlichem Leistungsvermögen in Gruppen unterschiedlicher sportlicher Sinnrichtungen organisiert. Wettkampf- und leistungssportorientierte Gruppen stehen gleichberechtigt neben freizeit- und breitensportorientierten Gruppen, seien diese fachsportartengebunden oder sportartübergreifend. Im Bereich des Leistungssportes gibt es vielfältige Anlässe für Turniere, Wettkämpfe und Meisterschaftsspiele, die kind- und jugendgerecht gestaltet werden.

Auch die Mitglieder von Freizeit- und Breitensportgruppen möchten an entsprechenden Wettkämpfen teilnehmen, sich mit Kindern und Jugendlichen anderer Vereine messen. Dabei ist aber der Konkurrenzgedanke weniger ausgeprägt, das Treffen Gleichaltriger, der Spaß und das Miteinander sind kennzeichnend für Breitensportveranstaltungen. Spiel- und Sportfeste, "Spiel ohne Grenzen", Lauftreffs oder Streetbasketball-"Events" sind Beispiele für gängige Freizeit- und Breitensportveranstaltungen.

Kinder und Jugendliche sind Mitglied im Sportverein, um sich in einer Fachsportart oder fachsportartübergreifend zu betätigen. Darüber hinaus äußern sie aber auch Bedürfnisse nach Aktivitäten kultureller Jugendarbeit, sehr beliebt sind Fahrten und Feste aller Art. Kinder- und Jugendfreundlichkeit zeichnet sich dadurch aus, dass auch diese Erwartungen erfüllt werden und entsprechende Angebote gemeinsam mit den jungen Menschen geplant, durchgeführt und ausgewertet werden. Damit wird der Verein darüber hinaus auch den Anforderungen an Jugendarbeit im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes gerecht.

Für Kinder und Jugendliche ist der Sportverein ein Treffpunkt, um Gleichaltrige kennenzulernen und gemeinsam Spaß zu haben. Es ist daher bereichernd, wenn die jungen Menschen ihre Freundinnen und Freunde mit zum Training bringen können oder wenn "Sportschnupperkurse" ausdrücklich für Vereinsmitglieder und Nicht-Vereinsmitglieder ausgeschrieben werden. Durch solche Kurse können aktuelle Inhalte des Sports in die Vereine eingebracht und damit auch Zielgruppen Jugendlicher angesprochen werden, die bislang nicht im Verein engagiert sind.

Die gezielte Aufnahme von Trends kommt den Sport- und Bewegungsbedürfnissen vieler Jugendlicher entgegen. Der Verein wird attraktiver empfunden, wenn er als zeitgemäß "trendig", "in", wahrgenommen wird. Die Palette der Trendsportarten reicht von abenteuerlichen Bewegungsangeboten über die Faszination "Rollen" bis hin zu Aerobic-Varianten und asiatischen Kampfkünsten. Die wohlüberlegte Integration von Trends in den Kanon der Vereinsaktivitäten zeigt auf, dass die Äußerungen Jugendlicher erst genommen werden.

4. Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern

Maßnahmen:

Die Sport- und Bewegungsangebote müssen so gestaltet werden, dass für alle Mädchen und Jungen Lernerfahrungen auf der motorischen, kognitiven, sozialen und emotionalen Ebene möglich sind. Sportstunden sollten also immer Elemente enthalten, in denen Kinder ihre eigenen Fähigkeiten erkennen können, in denen sie zu Mitdenken angeregt werden, in denen ihr Herz-Kreislauf-System und ihr Bewegungsapparat gefördert wird und in denen der Wert des Miteinanders erlebbar wird. 

"Kinder stark machen" ist eine bundesweite Initiative zur Suchtprävention. Der kind- und jugendgerechte Sportverein beteiligt sich an entsprechenden Maßnahmen, trägt durch seine Aktivitäten zur Steigerung des Selbstbewußtseins von Mädchen und Jungen bei und gestaltet das Vereinsleben in bewußter Weise in bezug auf den Umgang mit Alkohol und Nikotin. Dazu gehört u.a. den Bierstand beim Vereinsfest kritisch zu hinterfragen.

Parteiliche Mädchenarbeit und reflektierende Jungenarbeit sind Herangehensweisen an die Kinder- und Jugendarbeit im Sport, die die spezifischen Lebenssituationen, die unterschiedlichen Entwicklungsverläufe und die teilweise voreinander abweichenden Interessen der Mädchen und Jungen ernst nehmen. In reinen Mädchen¿ und reinen Jungen-Gruppen sind Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten gegeben, die in gemischt-geschlechtlichen Gruppen nicht so ohne weiteres auftreten. Dabei kommt es darauf an, geschlechtsbewusst zu arbeiten. Die unreflektierte Arbeit mit Mädchen oder Jungen, also das Außer-Acht-Lassen der besonderen Lebensäußerungen, wie es vielfach in der Mädchenturngruppe oder Jungen-Fußballmannschaft geschieht, ist hier nicht gemeint.

Auch in geschlechtsgemischten Gruppen ist es ein Kennzeichen des kinder- und jugendfreundlichen Sportvereins, mit geeigneten Maßnahmen auf den fairen Umgang, auf die selbstbewusste Interaktion der Geschlechter untereinander zu achten und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Mädchen und Jungen einzugehen.

Der kind- und jugendfreundliche Verein versteht sich als Gesundheitspartner der Kinder und Jugendlichen. Gesundheit wird dabei in einem weiten Verständnis betrachtet und umfasst nicht nur körperliche, sondern auch seelisch-soziale Aspekte. Auf der körperlichen Ebene gehört eine altersgerechte Förderung der motorischen Grundeigenschaften ebenso dazu wie das Vermeiden von Sportschäden durch Über- oder Fehlbelastungen und das Kontrollieren der Bedingungen zur Verringerung der Verletzungsgefahren.

Auf der seelisch-sozialen Ebene geht es um die Förderung der Wahrnehmungsfähigkeiten, z. B. das Erkennen und Ernstnehmen von Körpersignalen, um die Steigerung des Wohlgefühls in einem sportlichen Körper, um den Umgang mit Belastungs- und Stresssituationen und das Erlernen von Entspannungsformen, um gesunde Ernährung und vieles mehr.

5. Kinder und Jugendliche beteiligen

Maßnahmen:

Ein kind- und jugendfreundlicher Sportverein ist daran zu erkennen, dass bereits auf der Ebene der Spiel-, Übungs- und Trainingsgruppen das Prinzip der Mitbestimmung gelebt wird. Die Übungsstunden werden regelmäßig ausgewertet, die Kinder werden ermuntert, eigene Vorschläge einzubringen, die Gruppen wählen Sprecher/innen aus den eigenen Reihen, um bei Konflikten erfolgreich Einfluss nehmen zu können.

Es gibt Strukturen, welche die Rechte auf Mitbestimmung manifestieren, dazu gehören die Kinder- und Jugendordnung, der Jugendvorstand, die Vertreter*innen der Jugend im Gesamtvorstand und Positionen wie Jugendsprecher/innen. Diese Strukturen müssen allerdings im einzelnen auf ihre Kind- und Jugendgemäßheit hin überprüft werden, sollen sie nicht lediglich als Alibi benutzt werden.

Kinder und Jugendliche werden alters- und bedürfnisgerecht in die Mitarbeit eingeführt. Sie arbeiten als Helfer/innen in Übungsgruppen, wirken mit bei Spiel- und Sportfesten, begleiten die "Kleinen" bei Turnieren oder Wettkämpfen, bereiten Programmpunkte bei der Vereinsgala vor und vieles mehr.

Kinder und Jugendliche artikulieren ihre Sicht und ihre Interessen in einer eigenen Vereinsjugendzeitung oder auf den Jugendseiten der Vereinszeitung. Sie haben ein Forum zur Verfügung, um sich mitzuteilen. Vereine, die im Internet präsent sind, schalten Links zu den Jugendseiten, bieten den Jugendlichen Chat-Räume.

6. Zusammenarbeit mit Partnern

Maßnahmen:

Die Zusammenarbeit mit den Eltern der Sportvereinskinder verfolgt das Ziel, sich für die umfassende Entwicklungsförderung zu engagieren. Eltern werden einbezogen, um gemeinsam Art und Weise des sportlichen Engagements mit dem*der zuständigen Übungsleiter*in und ihren Kindern abzustimmen. Es wird mit einzelnen Eltern Kontakt aufgenommen, wenn sich gravierende Probleme zu pädagogischem Umgang zwischen Trainer*in - Kind ergeben. Und drittens werden Eltern behutsam an freiwillige Mitarbeit in der Vereinsjugendarbeit herangeführt.   

Ein kinderfreundlicher Verein kooperiert mit Einrichtungen der Vorschulerziehung. Unterschiedliche Formen sind denkbar, z. B. die Integration von Kindergartenkindern in die Vereinsgruppen der Bewegungserziehung oder in Gruppen von Kindern mit mangelnden Bewegungserfahrungen. Aber der Verein kann auch bestehende Kindergruppen mit Bewegungserziehungsangeboten versorgen. Denkbar ist auch, dass Übungsleiter/innen in den Kindergärten selbst tätig werden. In Kooperation können Vereine mithelfen, dass Kindergärten zu Bewegungskindergärten werden und von er Sportjugend eine entsprechende Anerkennung erhalten.  

Die Zusammenarbeit mit Schulen kann in unterschiedlichen Formen erfolgen. Es gibt Förderprogramme, in denen z. B. die Nachmittagsbetreuung der Schüler/innen durch Sportvereinsmitarbeiter/innen unterstützt wird. Hier arbeiten Vereine mit den Sportjugenden vor Ort zusammen.

Vereinsübungsleiter*innen oder Gruppenhelfer*innen bzw. SV-Sporthelfer/innen leiten Sport-AG¿s an den Schulen, Talente werden gesichtet oder es werden Sportwerbewochen durchgeführt, die noch mehr Kindern und Jugendlichen die Freude am Vereinssport nahe bringen sollen.

Kinder- und jugendgerechte Vereine richten den Blick auch über den eigenen Tellerrand. Sie nehmen Kinder und Jugendliche nicht nur als sportbetreibende Menschen wahr, sondern setzen sich auch mit den Lebensbedingungen und Bedürfnissen außerhalb der Sportvereinspraxis auseinander. Eine Form der Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene ist die Mitarbeit des*der Vereinsjugendwart*wartin im Stadtjugendring oder im Kinder- und Jugendhilfeausschuss. Dort wird themenübergreifend über Belange von Kindern und Jugendlichen entschieden, und dort muss eine Lobby für die Interessen der Mädchen und Jungen im Sportverein geschaffen werden.

Vereinsjugendliche werden ermuntert, in kommunalen Jugendparlamenten mitzuarbeiten, es werden Kooperationen mit kommunalen Jugendhilfeeinrichtungen wie z. B. dem städtischen Jugendfreizeitheim gesucht, gemeinsame Aktionen mit anderen (Jugend-)Verbänden finden statt, z. B. eine Aktionswoche zur Toleranz und gegen Rassismus mit kirchlichen und politischen Jugendeinrichtungen.

Und auch auf dem sozialpädagogischen Feld ist der kind- und jugendfreundliche Verein aktiv: er unterhält eine Patenschaft für die Kinder eines Asylbewerber-Wohnheimes oder integriert Kinder aus einem benachbarten Heim der öffentlichen Erziehung in die Trainingsgruppe.

Informationen zum Mitnehmen

Hier finden Sie Broschüren, Infopapiere und andere Informationen.

Wie funktioniert die Sportförderung in Deutschland?

Eine kleine Link-Übersicht für Sportinteressierte